Martina Grabski                      


Rückenprobleme

Veröffentlicht am 23.09.2005

Wenn es im Rücken drückt ...

Da freute ich mich mal wieder auf einen schönen Ausritt und dann weigerte sich meine Stute Pebbels vom Hof zu gehen. Das hatte sie noch nie gemacht, aber irgendwann ist bekanntlich immer das Erste Mal.

Vielleicht hätte ich sie nur nicht 6 Wochen auf der Weide stehen lassen, aber sonst lässt sie sich auch ohne Probleme nach einer längeren Pause reiten. Dieser Ausritt war alles andere als entspannend, ständig wollte Pebbels umkehren und auf dem Rückweg war sie kaum zu halten. In der nächsten Wochen ritt ich sie täglich auf dem Platz, denn eine Auseinandersetzung im Straßenverkehr wollte ich nicht riskieren. Auf dem Reitplatz gab sie sich weitestgehend normal, nur manchmal verweigerte sie sich etwas.

Also ging ich am nächsten Wochenende wieder mit ihr ins Gelände. Auf dem Hof fing schon das Theater an, sie wollte wieder nicht vom Hof. Damit sollte sie nun nicht durchkommen. Ich führte sie vom Hof. Ich brauchte Pebbels noch nicht einmal festhalten, sie lief einfach neben mir vom Hof. Unterwegs stieg ich auf und Pebbels wollte nur noch nach Hause! Ich zog die Schlussfolgerung: da muss etwas beim Reiten nicht stimmen, vielleicht der Sattel?

Wieder im Stall angekommen stellte ich fest, dass ihr Sattel in der Mitte nicht richtig auflag! Zum Glück habe ich einen alten zweiten Sattel und der passte. Am nächsten Tag sattelte ich mit dem alten Sattel. Um Pebbels zu zeigen, dass dieser Sattel nicht drückt, longierte ich sie bevor ich aufstieg. Beim Reiten hatte ich das Gefühl, dass Pebbels dieser Sattel besser gefiel. Doch einige Tage später gab es beim Ausritt die selben Schwierigkeiten wie vorher!

So, suchte ich weiter nach Ursachen: ein neues Pferd war gekommen. Dieses Pferd jagte ständig Pebbels und ihre Freundin auf der Weide. Wollte Pebbels etwa ihre Freundin nicht alleine lassen, weil diese sich alleine nicht wehren kann? Das würde auch erklären warum sie auf dem Reitplatz neben der Weide keine Schwierigkeiten macht.

Mittlerweile war die Weidesaison beendet, Pebbels stand wie jeden Winter über Nacht in der Box und wurde immer nervöser und versteifte sich häufiger. Der Tierarzt konnte nichts am Rücken feststellen, außer dass sie sich insgesamt extrem verspannte. Bei der Überprüfung der Futterration stellte ich einen erhöhten Eiweißanteil fest. Pebbels wurde auf Diät gesetzt und wurde langsam wieder ruhiger.

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Geritten wurde sie in dieser Zeit nicht, da ich mit den Vorbereitungen für den Umzug in einen anderen Stall beschäftigt war. Pebbels magerte im neuen Stall reichlich ab, vermutlich durch den anfänglichen Stress in einer neuen Herde. Nach einer Eingewöhnungszeit im neuen Stall fing ich wieder an sie zu reiten. Dabei fielen mir ihr schwerfälliger Schritt, eine deutliche Biegung nach rechts und das sie kaum mit der Hinterhand untertrat auf. Zuerst glaubte ich, dass sich ihre natürlich Schiefe zeigte, da sie mittlerweile keine Muskeln mehr hatte. Ich ritt sie eine Woche lang jeden Tag nur ein bisschen, damit sie langsam wieder Muskeln aufbauen konnte. Von einem Tag auf den anderen fing sie an zu humpeln. An diesem Tag war auch der Hufschmied da. Dem Hufschmied fiel auf, dass ihr Becken rechts tiefer saß als links und das sie die Hufe unterschiedlich belastet. Der Hufschmied meinte: die hat sich verrenkt!

Deutlich kann man auf dem Foto die unterschiedliche Lage der Beckenknochen sehen. Dieses kann man nur richtig sehen, wenn ein Pferd geschlossen steht (Beine nebeneinander und gleichmäßig belastet) und am besten den Kopf nach vorne hält.

Ich bestellte eine Osteopathin für Pferde in den Stall. Die Osteopathin erkundigte sich nach der ganzen Vorgeschichte sowie Tierarzt-, Zahn- und Hufschmiedbefund und dem Sattel. Dann wurde Pebbels kurz abgetastet und an der Hand vorgeführt und sie erzählte mir was ihr beim Abtasten und am Gangbild aufgefallen war. Anschließend hat sie Pebbels gedehnt, massiert usw. Alles was die Osteopathin gemacht hat, hat sie mit viel Ruhe getan. Sie hat mir die einzelnen Übungen erklärt und wenn Pebbels mal etwas zickig wurde dann ging sie auch darauf ein. Nach der Behandlung hat sie mir Pebbels vorgeführt und ich konnte selber erkennen, dass sie schon ganz anders lief. Sie ging zwar wie auf Eiern, aber sie setzte die Hufe deutlich anders ab und trabte sogar freiwillig an. Nach der Behandlung hat die Osteopathin mit mir einen Trainingsplan für die Arbeit an der Longe ausgearbeitet, um die Muskeln wieder aufzubauen und Pebbels zum vermehrten Untertreten zu animieren. Die reine Behandlung am Pferd hat 2 Stunden gedauert. Nach der Behandlung sollte Pebbels zwei Tage nicht gearbeitet werden, aber viel Auslauf haben, damit sie selber heraus finden konnte wie sie sich wieder bewegen kann.

Von der Osteopathin erfuhr ich, dass Pferde oft ihre schmerzenden Stellen entlasten und dadurch häufig lange Zeit unbemerkt bleiben, bis die Belastungen zu groß werden. Deshalb bin ich der Meinung, dass Pebbels sich damals bereits vor dem Ausritt verrenkt hatte. Da ich im Gelände meistens länger unterwegs war, als auf dem Reitplatz, weigerte sich Pebbels beim Verlassen des Hofes. Erst als sie, durch die Eingewöhnung in der neuen Herde, abmagerte und ich sie vermehrt geritten habe konnte sie ihre Verrenkung nicht mehr selber ausgleichen.

In der zweiten Woche nach der Behandlung ging sie deutlich besser und sie hatte auch wieder Lust sich zu bewegen. Leider hatte Pebbels dann eine heftige Prügelei im Auslauf, so dass sie eine starke Prellung unter dem Schweif hatte. Sie konnte durch die Prellung kaum laufen. Nach 2 Wochen war die Prellung wieder weg und es stellte sich heraus, dass sie sich durch diesen sehr unglücklichen Tritt wieder verbogen hatte.

Bei der zweiten Behandlung war Pebbels von Anfang an viel ruhiger als beim ersten mal. Ich nehme an, dass sie gemerkt hatte wie gut ihr die erste Behandlung getan hat. 14 Tage nach dieser Behandlung wurde nochmals ihr Becken korrigiert, aber es blieb leicht schief.

Zusätzlich zu der Bodenarbeit und den Dehnübungen wurde Pebbels in regelmäßigen Abständen von einer Masseurin für Pferde massiert. Diese Massagen halfen Pebbels zusätzlich Verspannungen abzubauen und gleichzeitig wurde so der Muskelaufbau kontrolliert.

An der Longe zeigte Pebbels immer öfter eine deutliche Lahmheit in der Hinterhand. Schmerzen schien sie keine zu haben, denn sie war beim Longieren manchmal kaum zu bremsen. Zur Diagnosebestätigung holte ich einen Tierarzt, der auch Chiropraktiker für Pferde ist. Er bestätigte, dass die Lahmheit aus dem Kreuzbein/Darmbein kommt. Dort hat sich seiner Meinung nach bei Pebbels eine Versteifung gebildet, die durch ihre von Natur aus bodenenge Hinterhandstellung begünstigt wurde. Das Lahmen ist bei Pebbels keine Schmerzreaktion sondern einfach eine Bewegungseinschränkung. Der Chiropraktiker riet mir, sie wieder zu reiten und evtl. würde dadurch diese Lahmheit nach einigen Wochen noch etwas zurück gehen.

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Auf diesem Foto kann man deutlich erkennen wie stark sich die Zehenspitze von Pebbels rechten Hinterhuf durch das Lahmen abgeschliffen hat.

In den ersten Wochen habe ich eigentlich nur im Sattel gesessen, schließlich musste Pebbels sich nach fast einem dreiviertel Jahr erst wieder ans reiten gewöhnen. Nach dieser Eingewöhnungsphase stand dann eine dressurmäßige Gymnastizierung im Vordergrund. Dafür habe ich einmal in der Woche Einzelunterricht genommen, der Pebbels und mir sehr weitergeholfen hat. Vor allem hatte ich so immer eine Kontrolle vom Boden, denn ohne Reiter auf dem Rücken läuft Pebbels wieder etwas anders. Nach drei Monaten war ihr Taktfehler deutlich zurück gegangen, sie trat auch wieder etwas besser unter und wurde lockerer. Nach einem Jahr hatte Pebbels derartige Fortschritte gemacht, wie es niemand (auch ich nicht) für möglich gehalten hätte. Mit ihrem rechten Hinterbein trat sie zwar noch deutlich kürzer und sie hob schliff sich auch weiterhin die Zehe ab, aber insgesamt wirkte ihr Gang nicht mehr so verspannt und sie wurde gerader. Guter Unterricht mit einer einfühlsamen Lehrerin und eine konsequente Gymnastizierung (6 Tage in der Woche) haben viel zu diesen Fortschritten beigetragen.

Pebbels machte weiterhin kleine Fortschritte. Im Winter wurde sie jedoch oft bedingt durch das feucht kalte Wetter steifer. Doch im Sommer konnte sie diese Rückschläge wieder aufholen. Auch nach mehreren "Stehtagen" (trotz Offenstallhaltung) wurde sie deutlich steifer, so dass der Spruch "Wer rastet, der rostet" gut auf sie zu traf. Während sie nach dem Reiten ihre Hinterhand auch deutlich besser im Auslauf bzw. auf der Weide bewegte.

Pebbels arbeite motiviert mit und manchmal war sie eher übereifrig und ich musste sie bremsen oder aufpassen, dass ich nicht zu viel von ihr verlangte.

So vergingen gut 3 Jahre bis Pebbels von einem Tag auf den anderen keine Lust zur Mitarbeit zeigte. Auf Grund ihres Verhaltens zog ich die Schlussfolgerung, dass sie jetzt wohl doch Schmerzen haben könnte. Ich lies sie ein paar Tage in Ruhe und nach einer Woche wollte sie plötzlich wieder etwas tun. Doch so richtig zufrieden war ich nicht mit ihr. Die Rückschritte des vergangenen Winters konnten wir nicht wieder aufholen.

Ein gutes halbes Jahr später war es wieder soweit, dass Pebbels aufgab. Sie wollte und konnte nicht mehr. Ich überlegte als letzte Chance noch einmal den Tierarzt und Chiropraktiker zu holen, um zu sehen ob sich die Versteifung verschlimmert hat oder ob evtl. etwas Neues hinzu gekommen war.

Zufällig nahm ich gerade zu diesem Zeitpunkt an einem Seminar teil, bei dem ich einen "Pferderenker" und seine Arbeit kennengelernt habe. Als ich ihn zu Pebbels befragte meinte er, dass bei ihr ein Nerv eingeklemmt und vermutlich nichts versteift sei. Er konnte mir dabei genau die hüpfende Bewegung ihres Hinterbeins beschreiben. Er war der Erste von einer ganzen Reihe von Tierärzten und so genannten "Fachleuten" der die Diagnose des Chiropraktikers anzweifelte. Auf meine Frage hin, ob da nach mittlerweile 4 Jahren (von den ersten Anzeichen bis zu diesem Zeitpunkt) noch etwas zu machen sei? Antwortete er, dass er vermutlich die Geschichte noch hinbekommt, aber letztlich müsste er erst das Pferd sehen um eine genauere Aussage machen zu können.

So kam der Pferdeeinrenker eine Woche später zu Pebbels. Er tastete sie in gleicher Art und Weise wie es bereits Tierarzt, Osteopathin und Chiropraktiker es getan hatten ab. Diese Untersuchung bestätigte seine Vermutung. Auch seine Einrenkmethoden sahen für mich genauso aus wie die vorangegangenen Behandlungen.

Sofort nach der Behandlung stellte Pebbels im Stand ihre Hinterhand wieder korrekt unter und nicht mehr deutlich nach hinten heraus. Die kommende Woche sollte ich sie täglich 1 Stunde im "strammen Schritt" führen. So geschah es, dass ich mit Stoppuhr in der einen und Pebbels am Führstrick an der anderen Hand im Stechschritt meine Runden in der Umgebung drehte. Die Stoppuhr hatte ich dabei um Zwischenzeiten zu nehmen, um so eine bessere Kontrolle über unser Tempo zu bekommen.

Nach zwei Wochen sollte eine Nachbehandlung erfolgen, da bei der ersten die Blockade nicht 100%ig beseitigt werden konnte. Zur Überraschung stellte der Pferderenker bei diesem zweiten Termin nichts mehr fest. Er meinte jedoch, dass bei Pebbels in den ersten Monaten evtl. der Nerv wieder einklemmen könnte. Das war im Oktober 2003 und Pebbels war 18 Jahre alt.

Jetzt lag es an mir Pebbels wieder einen normalen Bewegungsablauf beizubringen. Nach 3 Monaten war das hüpfende Hinterbein verschwunden. Jetzt trat sie mit dem Bein lediglich kürzer. An der Longe und unterm Sattel war der Rechtsgalopp schon lange verschwunden und nun kam er wieder. Bis ich den Rechtsgalopp vom Sattel aus gezielt abfragen konnte sollte aber noch ein gutes halbes Jahr vergehen.

Nach einem halben Jahr hatten wir den ersten Winter seit langem ohne Rückschritte hinter uns gelassen und Pebbels fing an konstanter mit dem Hinterbeinen in ihre Spur zu treten. Übertreten wird sie vermutlich nie, dafür hat sie nicht das Exterieur.

Nach einem dreiviertel Jahr hatte ich den Eindruck, dass sie vom Becken her wieder etwas steifer wurde. Der Einrenker richtete den wieder etwas verschobenen Nerv und seitdem hat sie derartige Probleme nicht mehr gehabt.

(c) www.hadel.net

Die Fotos oben verdeutlichen Pebbels Fortschritte in dem Zeitraum vom März 2002 über Dezember 2003, Mai 2004 bis September 2005, wobei der größte Teil der Veränderung erst ab dem Oktober 2003 nach der Behandlung durch den Pferderenker entstanden sind.

Auf dem linken Foto ist deutlich die schiefe Stellung der Beckenknochen, eine asymmetrische Kruppenmuskulatur sowie insgesamt eine kaum vorhandene Muskulatur zu erkennen.Im Gegensatz hierzu steht das Foto rechts: es zeigt ein fast gerade getragenes Becken, die Muskeln auf der Kruppe haben sich deutlich angeglichen und insgesamt macht die Hinterhand, durch den Muskelaufbau, einen runderen und breiteren Eindruck.

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Die folgenden Fotos zeigen den Zustand der abgeschliffenen Zehe am rechten Hinterhuf. Der rote Pfeil markiert auf den Fotos die Höhe der frischen Abriebspuren.

Foto rechts:
März 2002

Dezember 2003

Mai 2004

September 2005

Für mich grenzt es fast an ein Wunder, dass sie sich nach dieser langen Leidensgeschichte und in diesem Alter noch so erholen konnte. Viel zu dieser Genesung hat mit Sicherheit ihr ausgeprägter Kämpferwille und die konsequente Dressurarbeit beigetragen. Anfang 2005 ist Pebbels 20 Jahre alt geworden und geht so gut wie noch nie seitdem sie bei mir ist.